Einsamkeit: Freund oder Feind
Einsamkeit: Freund oder Feind
Persönliche Highlights aus der ARD Mediathek
Einsamkeit: Freund oder Feind?
Ina Mersch, Redakteurin ARD.de
Wenn ein Land einen Gefühlszustand zur "Chefsache" erhebt, muss die Lage ernst sein. In Großbritannien wird sich künftig ein Ministerium um einsame Menschen kümmern. Und auch in Deutschland hat man erkannt, dass Einsamkeit krank machen kann. Sie hat aber auch positive Aspekte. Frei gewählt kann sie uns helfen, zu uns selbst zu finden. Und manchen gibt sie die Kraft, für andere da zu sein.
Video: Japan - Einsamkeit in der Mega-City
Glückliche Paare spazieren durch die Parks in Tokio, lassen sich auf Booten unter den rosa Zweigen hindurch gleiten. Aber das Bild trügt, in der Metropole leben immer mehr Menschen ohne Partner - und kommen auf die absurdesten Ideen, um diese Leerstelle zumindest vorübergehend zu schließen.
Gekaufte Rendezvous, getürkte Liebesfotos, Solo-Wedding ohne Bräutigam: Der Kirschblütenwahnsinn treibt die Japaner in die Verpartnerung. Darüber hinaus hat die Jugend aber nur wenig Lust auf die familiären Normen der Eltern. Was man nicht hat, das kauft man sich - ein pragmatischer, aber auch sehr trauriger Umgang mit dem Alleinsein!
Video: Großbritannien - Gekaufte Zweisamkeit
Studien zufolge ist Einsamkeit so schädlich wie 15 Zigaretten am Tag. Deshalb erweitert die britische Regierung das Ministerium für Kultur, Medien und Sport jetzt um den Bereich Einsamkeit. Denn schockierende neun Millionen der knapp 66 Millionen Briten fühlen sich immer oder häufig einsam.
Das Beispiel von Robin, der Eventmanagerin (!) zerreißt mir das Herz: Sie wohnt eine Stunde nördlich von London und hat irgendwann den Anschluss ans gesellige Leben verpasst. Jetzt fährt sie regelmäßig zu ihrer Kuschel-Therapeutin in die Stadt. Die gibt ihr für 73 Euro die Stunde das, was jeder Mensch jeden Tag haben sollte: Streicheleinheiten und Zuwendung. Gruselig!
Video: Einsiedler in der selbst gewählten Einsamkeit
"Was gleicht einem Eremiten am wenigsten? Ein anderer Eremit." So sagt es ein alter Spruch. Gemeinsam ist den ca. 90 Einsiedlern in Deutschland, dass sie eine große seelische Stärke besitzen müssen, denn Stille und Einsamkeit zwingen sie, sich mit sich selbst zu konfrontieren.
Sich selbst finden, Erkenntnisse gewinnen, im Verborgenen für andere da sein - das sind die Motivationen der drei Einsiedler im Beitrag. Ein bisschen beneide ich sie um ihre Ruhe und Konzentration, die mir widerspiegelt, was uns in der modernen Zivilisation so oft fehlt.
Video: Gibt es ein Rezept gegen das Alleinsein?
Wer sich allein fühlt erkrankt häufiger an Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Depressionen. Einsamkeit kann also ein Risikofaktor wie Rauchen oder Übergewicht sein. Und obwohl sie besonders häufig alte Menschen betrifft, sind junge und mittelalte keineswegs gefeit. Nicht mal Kinder sind ein sicherer Schutz - wie der Beitrag zeigt.
Erschreckend, wie plötzlich einen Einsamkeit treffen kann - weil sich die Lebensumstände ändern, Lebenspartner sterben, Kinder ausziehen. Aber es gibt auch Rezepte gegen das Alleinsein. Sie erfordern Disziplin und auch ein bisschen Übung in Sachen Kontaktpflege. Denn wer sein ganzes Leben im stillen Kämmerlein verbracht hat, wird auch im Alter wohl kein Pistenstürmer. Die Bekämpfung der Einsamkeit durch staatliche Programme erscheint mir allerdings abstrus.
Morgenmagazin: Themenwoche Einsamkeit
Stand: Fri Mar 16 13:35:00 CET 2018 Uhr