Zukunft der ARD: Zwischen dem Erhalt des Bestehenden und notwendigen Reformen

"Medienpolitisch gesehen ist dieser Sommer ein einziger langer Cliffhanger" – so beschreibt Claudia Tieschky, Redakteurin der Süddeutschen Zeitung, in ihrem kürzlich veröffentlichten Interview mit mir die aktuelle Lage. Und tatsächlich blicken wir innerhalb der GVK gespannt auf den Herbst: Wie werden sich die Ergebnisse der Landtagswahlen (nicht nur, aber auch) auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insbesondere in Sachsen, Thüringen und Brandenburg auswirken? Wird es im Oktober gelingen, dringend notwendige Reformen in einen neuen Staatsvertrag zu überführen?

Klar ist bereits jetzt: Die ARD befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Erhalt des Bestehenden und notwendigen, klug durchdachten Reformen. Über allem stehen zwei für uns grundlegende Fragen: Welchen unverzichtbaren Mehrwert bietet der öffentlich-rechtliche Rundfunk einer demokratischen Gesellschaft? Und welche Veränderungen sind nötig, damit die ARD auch weiterhin ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden kann?

Die Grundwährung für eine starke Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks innerhalb der Bevölkerung ist aus meiner Sicht Vertrauen: Vertrauen darauf, dass nicht nur das Programmangebot der Anstalten vielfältig und die Berichterstattung möglichst das ganze Bild zeigt – sondern auch das Vertrauen darauf, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bzw. der ARD die notwendigen Strukturen geschaffen werden, damit der Auftrag auch weiterhin mit größtmöglicher Sorgfalt und Integrität umgesetzt werden kann.

Ein wichtiger Baustein hierfür bildet ein anstalts- und organisationsübergreifender Public Corporate Governance Kodex der ARD, den die GVK zusammen mit Vertretern der Geschäftsleitungen der Anstalten aktuell entwickelt. Die ARD forciert darin aus eigenem Antrieb grundlegende Reformbemühungen und hinterfragt bislang gelebte Governance-Strukturen. Mit der Erarbeitung eines solchen Kodex für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist die ARD Vorreiter. Alexandra Krüger und Lukas Höfner, Referent/-in der GVK, geben in dieser Ausgabe des Newsletters Einblicke und Hintergründe zur Entwicklung des PCGK und seiner Bedeutung für das Zusammenspiel aller Akteure innerhalb der ARD.

Demokratie lebt von Diskurs und Dialog – aus diesem Grund ist die Verpflichtung auf einen regelmäßigen Austausch mit der Bevölkerung auch ein Bestandteil des Medienstaatsvertrags geworden. Um mit dem (potentiellen) Publikum in Kontakt zu treten, gibt es in der heutigen Zeit eine Reihe an möglichen Kanälen und Formaten. May-Britt Moennig, Team-Lead Social Media bei der ARD, zeigt, wie in sozialen Medien ein auf Gegenseitigkeit ausgerichteter Publikumsdialog in Echtzeit gelingen kann: Sie stellt in ihrem Gastbeitrag das "Ask-Me-Anything"-Format vor, in dem sich Dr. Kai Gniffke, SWR-Intendant und ARD-Vorsitzender, live auf Instagram und Twitch den Fragen der User stellt.

Um (vor allem neue) Mitglieder der Verwaltungs- und Rundfunkräte aller Rundfunkanstalten bei ihrer wichtigen Aufgabe zu unterstützen, hat die GVK-Geschäftsstelle zusammen mit der aus Gremienmitgliedern bestehenden AG Fortbildung zwei Web-Based-Trainings (WBTs) entwickelt. Sie helfen dabei, vorhandene Kenntnisse in den Bereichen Programmqualität und Compliance weiterzuentwickeln und zu vertiefen. Bevor die beiden "Piloten" am 1. Oktober 2024 an den Start gehen, reflektieren die Mitglieder der AG Fortbildung in der Rubrik "Stimmen der Region" die anstaltsübergreifende Zusammenarbeit zwischen BR, MDR, SWR und Radio Bremen bei der Entwicklung der WBTs.

Eine Brücke aus Vergangenheit und Zukunft schlägt Jürgen Betz, Mitglied der Historischen Kommission der ARD, in seinem Gastbeitrag "Ein Blick in die Geschichte: Wie die ARD ihre Programmautonomie und die Rundfunkfreiheit verteidigte". Darin zeigt Betz anhand der Gründung des Programms EinsPlus im Jahr 1986, wie die ARD vor knapp 40 Jahren erfolgreich ihre Autonomie gegenüber einem konträren politischen Vorhaben verteidigt hat – und welche Lehren sich daraus für die aktuelle medienpolitische Situation ableiten lassen.

Nicht zuletzt lebt die GVK auch mit Blick auf ihre Mitglieder von Veränderungen: In regelmäßigen Abständen übergeben Vorsitzende der Rundfunk- und Verwaltungsräte ihren Staffelstab an ihre Nachfolger/-innen oder – wie beim MDR und NDR – turnusgemäß an ihre Kollegen/-innen aus anderen Bundesländern. Das sorgt innerhalb der Aufsichtsgremien stets für neue Perspektiven und Impulse. In diesem Sinne freuen wir uns, in der aktuellen Ausgabe einen Einblick in die Vision von Dr. Thomas Jakobs als neu gewählten Verwaltungsratsvorsitzenden des Saarländischen Rundfunks zu verschiedenen GVK-Themen zu bekommen.

Dr. Engelbert Günster (Bild: SWR /Patricia Neligan)

Viel Spaß beim Lesen unserer aktuellen Newsletter-Ausgabe wünscht Ihnen

Dr. Engelbert Günster
Vorsitzender ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK)

11.9.2024