Was ist Virtual Reality
Was ist Virtual Reality
Virtual Reality und 360°-Videos
Der Zuschauer wird zum Augenzeugen
Carolin Albrand
Menschen, die auf Displays starren - im Wohnzimmer auf den Fernseher, im Büro auf den Computer, im Bett auf das Tablet und unterwegs auf das Smartphone. Eine neue Technologie schickt sich an, dieses Paradigma zu durchbrechen.
Die Virtuelle Realität, kurz VR, ist zu einem Überbegriff für eine Technologie geworden, die ein neues Computer-Zeitalter einläuten könnte. Nutzer ziehen eine VR-Brille auf, das Display verschwindet und sie stehen in ihrer Wahrnehmung mitten im Inhalt. Die Zuschauer werden zu Augenzeugen einer Handlung, die sie in 360 Grad umgibt. Den Bildausschnitt sucht man sich dabei selbst aus, indem man einfach den Kopf bewegt wie in der wirklichen Realität.
Das Alleinstellungsmerkmal des neuen Mediums nennt sich Immersion. Der Fachausdruck beschreibt das "Eintauchen" in die virtuelle Welt. Bei gut gemachten VR-Erfahrungen haben die Nutzer das Gefühl, an einem anderen Ort zu sein. Viele VR-Anwendungen werden in der Branche deshalb nicht als Film oder Spiel bezeichnet, sondern als Erfahrung.
VR ist mehr als ein Spiel
Solche Erfahrungen sollen potenziell in vielen Bereichen Nutzen stiften. Spiele, in denen der Spieler selbst im Auto sitzt oder bei einer Verfolgungsjagd physisch davonlaufen muss. Interaktive Filme, in denen der Zuschauer ein Teil der Handlung wird - nicht nur in der Pornographie.
Mediziner, Architekten und Designer nutzten Virtual Reality schon jetzt. Ein Bauzeichner kann ganze Häuser virtuell planen und Details direkt mit dem Kunden im virtuellen Rundgang klären.
Chirurgen können Operationen virtuell planen und einstudieren.
Ein Neurochirurg kann ein 3D-Modell des Gehirns eines Patienten vorab begehen und sich so detailliert auf die Operation vorbereiten. Patienten meditieren in der Brille und entgehen so der stressigen OP-Situation. Auch in der Therapie wird das Medium genutzt: Bislang wird es zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen, Angststörungen oder zur Schmerztherapie eingesetzt.
Das ABC der immersiven Medien
360°-Videos
Augmented Reality
Immersion
Motion Sickness
Social-VR
Virtual Reality
Auch Filmemacher und Journalisten entdecken 360°-Videos. Im Gegensatz zu klassischen VR-Inhalten werden diese nicht am Computer erstellt, sondern mit speziellen Kameras gefilmt. Auch wenn der Nutzer sich in diesen Videos nur umsehen und nicht fortbewegen kann, vermittelt ein gutes 360°-Video die Atmosphäre eines Ortes und bietet Immersion. Ziel ist es meist, den Zuschauer an Plätze zu bringen, zu denen er normalerweise keinen Zugang hat, wie etwa den OP-Saal bei einer Herz-OP oder die Straßen eines Kriegsgebiets.
Mit der Apollo-11-Crew zum Mond
Aber wieso investieren so viele Anwender und Unternehmen in ein neues Medium? Auf der einen Seite: Weil es technisch endlich umzusetzen ist. Die andere Seite beschreibt Clay Bavor, Leiter der VR-Abteilung von Google wie folgt: "Erfahrung ist die reichhaltigste Art der Information.“ VR ermöglicht dem Nutzer, etwas am eigenen Leib zu erfahren. Zwar nur virtuell, aber das Gefühl und die Erinnerung daran sind dennoch authentisch.
Selbstverständlich könnten Kritiker einwerfen, dass man auch einfach die Wohnung verlassen kann. In erster Linie geht es bei VR darum, Erfahrungen zu simulieren, die man normalerweise nicht selbst erleben kann. Der VR-Wissenschaftler Jeremy Bailenson von der Stanford Universität beschreibt vier mögliche Arten von Erfahrungen, die sich für Virtual Reality eignen. Sie müssen teuer, gefährlich, unmöglich oder selten sein.
Die Apollo-11-Experience schießt den Nutzer zusammen mit Neil Armstrong auf den Mond.
Ein Beispiel dafür ist der Flug zum Mond mit der originalen Crew der Apollo-11-Mission. Diese VR-Erfahrung wird in US-Schulen im Unterricht eingesetzt. VR-Medien lassen uns in die Rolle einer anderen Person schlüpfen. Bailenson und sein Team aus Psychologen haben herausgefunden, dass ein solcher Perspektivwechsel bei Menschen positive Veränderungen fördert wie verbesserte Lernfähigkeit, Abbau von stereotypischem Denken und eine zwischenmenschliche Kommunikation. Vereinfacht gesagt: Jemand, der sich in eine andere Person hineinversetzt, begegnet neuen Ideen anschließend aufgeschlossener und ist eher dazu bereit, auf fremde Menschen zuzugehen.
Das Gehirn glaubt, was es sieht
Diese Nähe birgt natürlich auch Risiken. Unser Gehirn möchte glauben, dass das, was es sieht, real - oder zumindest authentisch - ist. Nur dann entfaltet eine VR-Erfahrung ihr Potenzial. Doch Produzenten und Entwickler müssen behutsam sein, viel behutsamer als mit gewöhnlichen Monitor-Medien. Virtuelle Gewalt ist Gewalt, die mir selbst widerfährt. Kommt mir jemand virtuell nahe, spüre ich zwar keinen Körperkontakt, fühle mich aber emotional bedrängt.
Besonders Kindern fällt es schwer, virtuell und real Erlebtes voneinander zu trennen. Die Auswirkungen einer kontinuierlichen VR-Nutzung sind noch gänzlich unerforscht. Viele der VR-Brillenhersteller orientieren sich bei der Altersfreigabe am amerikanischen Internetgesetz und geben die Empfehlung, die Brillen erst ab dem 13. Lebensjahr zu nutzen.
Stand: 05.10.2017, 16.45 Uhr