Deutschlands Osten - ein Land ohne Glauben? - Teil 7
Deutschlands Osten - ein Land ohne Glauben? - Teil 7
Eine Bestandsaufnahme in Zahlen
Warum Gläubige der Kirche den Rücken kehren
Seit Mitte der 1990er-Jahre ging die Zahl der Kirchenmitglieder deutlich zurück. Das hat in West und Ost ähnliche Gründe und liegt nicht nur am demografischen Wandel. Das Vertrauen ist eine Seite, das Geld eine andere.
Die Schere zwischen der Zahl der Kirchenmitglieder in Ost- und Westdeutschland ist seit Jahrzehnten groß. Nur 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung im Osten gehören einer Religionsgemeinschaft an. In den alten Bundesländern ist immerhin mehr als die Hälfte der Menschen Mitglied in einer Kirche. Deutlich weniger jedoch halten Kirche und Religion für sehr wichtig: 10 Prozent der Bevölkerung im Osten und 20 Prozent im Westen. Diese Einschätzung über die Wichtigkeit von Religion ist wohl ein Grund für den Schwund an Kirchmitgliedern.
Beim Blick auf die Zahl der Kirchenaustritte über die Jahre zeigt sich ein weiterer Grund: das Geld. Der Verlauf offenbart, dass einzelne gesellschaftliche, insbesondere steuerliche, Veränderungen zu Austrittswellen führten. Der eingeführte Solidaritätszuschlag 1995 und auch die Währungsumstellung auf den Euro ließen vermehrt Mitglieder austreten. Nach einigen ruhigeren Jahren stieg die Zahl der Austritte 2008 wieder deutlich an. Die Evangelische Kirche machte dafür die eingeführte Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge verantwortlich. Die Katholiken verloren zusätzlich 2010 (Missbrauchsskandal) und 2013 (nach dem Skandal um Tebartz-van Elst) viele Gläubige.
Wie hängen Glaube und Armut zusammen?
Die Studie zeigt aber auch, dass es in Städten und Kreisen mit vielen SGB-II-Beziehern relativ viele Konfessionslose gibt. Und dies ist kein Ost-Phänomen, sondern gilt genauso für den Westen.
In den neuen Bundesländern ist die Uckermark die Region, in der die meisten Menschen SGB-II-Leistungen beziehen. Hier leben auch viele Konfessionslose. In Bremerhaven ist der Anteil an Menschen, die Leistungen zur Grundsicherung beziehen, noch größer. Es gibt allerdings im Vergleich zur Uckermark mehr Menschen, die einer Glaubensgemeinschaft angehören. Im Vergleich zu den anderen Kreisen der Alt-Bundesländer schneidet Bremerhaven bei der Kirchenmitgliedschaft schlecht ab und weist eine hohe Zahl an Menschen ohne kirchliche Bindung auf.
Dies könnte ein weiteres Indiz für den Zusammenhang zwischen Kirchenmitgliedschaft und Geldbeutel sein. Dort, wo die Menschen so wenig Geld verdienen, dass sie auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, treten sie eher aus der Kirche aus. Dort, wo das Budget höher ist, schmerzt die Kirchensteuer offensichtlich weniger. Ein Austritt ist unwahrscheinlicher.
Schulabschluss durch Glauben?
Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben 2014 bundesweit 46.950 junge Menschen die Schule beendet, ohne einen Schulabschluss zu machen. Insgesamt gibt es im Osten deutlich mehr Schüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen, als im Westen. Auffällig dabei ist, dass in Gegenden, wo viele Konfessionslose leben, der Anteil an Schulabgängern ohne Abschluss höher ist. Dabei schneidet der Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt am schlechtesten ab. 14,4 Prozent verlassen hier die Schule ohne Abschluss. Mit 84,8 Prozent ist der Anteil an Menschen ohne kirchliche Bindung dort sehr hoch.
In den alten Bundesländern sticht bei den Schul-Abbrechern der Norden heraus. Hier sind im Vergleich zu anderen West-Regionen relativ viele Menschen konfessionslos. Dies deutet auch auf Zusammenspiel zwischen Glauben und Schulabgängern ohne Abschluss hin.
Stand: 11.06.2017, 10.55 Uhr
Lesen Sie in diesem Beitrag:
- Teil 1: Land ohne Glauben?
- Teil 2: Bindung an Kirche
- Teil 3: Glaube und freiwilliges Engagement
- Teil 4: Glaube, Frauen und Familienmodelle
- Teil 5: Glaube und Lebenserwartung
- Teil 6: Glauben, Jugendliche und Religionsunterricht
- Teil 7: Warum Gläubige der Kirche den Rücken kehren
- Teil 8: Staatliches und kirchliches Engagement bei Bildung und Krankenhäusern
- Teil 9: Glauben und Schwangerschaft